Industriegeschichte

Schon vor der „richtigen“ Industrialisierung gab es im damaligen Gebiet von Neuhaus eine Vielzahl von kleinen Handwerksbetrieben. In Schierschnitz existierte eine Schiefertafelfabrik (Heinrich Faber 1833 ). Gründer der ersten Ziegelhütte 1803 war Joh. G. Ernst Flemming. Schon seit dem fünfzehnten Jahrhundert sind eine Getreidemühle am Mühlteich, Bäcker, Fleischer, Schmiede und mit dem frühen neunzehnten Jahrhundert auch Schuhmacher, Schneider, Böttcher, Maurer, Zimmerleute, weitere Handwerke und ein Komm
unalbrauhaus belegt, das bis 1959 auf dem jetzigen Rathausplatz stand. Am 18.August 1845 begann mit der Grundsteinlegung des Eisenhüttenwerkes von Joseph Meyer (Deutsche Eisenbahnschienen-Companie ) in Neuhaus der Wandel zur Industrialisierung. Durch seine Erwerbungen der meisten umliegenden Steinkohlenreviere sowie Erzlagerstätten war er der größte Montanunternehmer Mitteldeutschlands seiner Zeit. Er träumte von einem zweiten deutschen Ruhrgebiet mit dem Zentrum in Neuhaus. Auf 29 Hektar Fläche entstanden vier Hochöfen, eine Gießhalle, Gießöfen, eine Schmiederei, Dreherei, Walzwerk und Dampfhammer. 1847 ließ er die bis dahin größte Dampfmaschine im damaligen Deutschland (250 PS) bauen. Ein maßstabsgetreues Modell befindet sich im Heimatmuseum und das Original im Deutschen Museum München. Seine andere große Idee eines Eisenbahnnetzes für Deutschland scheiterte an den damaligen kleinstaatlichen Verhältnissen. Durch die 1848 ausgebrochene Revolution in Deutschland geriet auch Meyer in Schwierigkeiten und sein Sohn musste 1858 Konkurs anmelden. Meyer selbst verstarb am 27.Juni 1856 an den Folgen einer Lungenentzündung.
Aus der Konkursmasse erwarb Richard von Swaine mehrere Kohlengruben und das Eisenhütten-werk. Er nannte es nach seiner Frau „Ernestinenhütte“.Es wurden verschiedene Eisenwaren produziert, Gartenzäune, Stangen, Säulen und Kleinteile. Aber bereits 1870 wurde der letzte Hochofen ausgeblasen. Von 1905 bis 1908 zogen sich dann die Verkaufsverhandlungen der von Swain‘schen Berg- und Hüttenwerke hin, bis sie schließlich am 20.Juni 1908 vom bayerischen Staat übernommen wurden. Doch bereits vorher (1904) begann Armand Marseille aus Köppelsdorf mit dem Bau einer neuen Porzellanfabrik in Neuhaus. Sie wird nach Ostern 1906 in Betrieb genommen und stellte zunächst Puppenköpfe aber bereits 1907 Kleinporzellan für die Elektroindustrie her. Durch die steigende Nachfrage nach Nieder- und Hochspannungsisolatoren wurden entsprechende Erweiterungen durchgeführt, 1908 die Errichtung eines Prüffeldes, die Inbetriebnahme der Brennöfen 5 bis 8 und der Dreherei von Großisolatoren für Hochspannung.
Am 1.Juli 1913 ging dann der Besitz an die Siemens-Schuckert-Werke in Berlin über. Sie waren einer der Hauptabnehmer der Elektroporzellanerzeugnisse. Nach dem ersten Weltkrieg dauerte es bis 1920, bevor wieder die Produktion und auch Erweiterungsbauten in Angriff genommen wurden. Die Brennöfen 9 und 10 wurden 1922 in Betrieb genommen. Aufgrund des steigenden Bedarfs an Steinkohle wurden die noch stehenden riesigen Hallen des ehemaligen Meyer-/Swain‘schen Hüttenwerkes benutzt. Sie waren im Besitz der Firma Ernst Müller aus Kipfenberg (Bayern), die in der Mittelhalle (früher Dampfhammerschmiede) 1916 die Fabrikation von Holzwolle eingerichtet hatte. Nach einem zwischenzeitlichen Brand in dieser Fabrikation ging das gesamte Gelände des ehemaligen alten Walzwerkes 1926 in den Besitz von Siemens-Schuckert über. Die Produktion der Großdreherei von Isolatoren hatte beträchtliche Ausmaße angenommen, so dass Mitte der dreißiger Jahre die Rundöfen 11 und 12 speziell für diese Anforderungen errichtet wurden. 1935 wurde die durch das Betriebsgelände führende Straße Richtung Buch gesperrt und eine Umgehungsstraße gebaut (die jetzige alte Bucher Straße). Im selben Jahr begann auch der Bau einer Werkhalle auf den Schuttmassen des ehemaligen Walzwerkteiches.1936 wurde in ihr die Presserei, dieSchleiferei, die Putzerei, die neue Schmelze, 2 Tunnelöfen, der Werkzeugbau und nicht zuletzt die Zündkerzenfertigung, die in dieser Zeit zum Anlaufen kam, untergebracht. Das Porzellanwerk in Neuhaus (PN) hatte in den Jahren bis zum zweiten Weltkrieg zeitweise bis zu 2640 Beschäftigte. In den letzten Kriegsjahren mussten auch zahlreiche Zwangsarbeiter, die in Baracken an der Walzwerkstraße untergebracht waren, dort arbeiten.
Nach dem Einzug sowjetischer Truppen im Juli 1945 wurden im August bereits wieder Versuche unternommen, die Produktion in Gang zu setzen. 1946 im August wurde das Werk dann eine sowjetische Aktiengesellschaft ( SAG ). Eine Demontage des Werkes fand glücklicherweise nicht statt und die Produktion lief allmählich wieder an. Zuerst wurden Haushaltsgegenstände (Kocher, Schalen usw.) danach wieder elektrokeramische Teile, Isolatoren und Zündkerzen hergestellt. Am 29. Juni 1950 erfolgt die Rückgabe aus sowjetischem Besitz und die Umwandlung zum volkseigenen Betrieb (VEB). In den fünfziger und sechziger Jahren wurde durch die Weiterentwicklung der Produktionsweisen erhebliche Veränderungen und Erweiterungen vorgenommen, so 1948 beispielsweise die Errichtung einer eigenen Gasversorgung mit zwei Gasbehältern. 1957 begann der Bau der neuen Steatithalle (jetzt Firma Zips) auf dem Gelände des vormaligen Teiches. Es mussten 6m lange Betonpfähle eingerammt werden auf denen dann die Fundamentierung erfolgte.1961 wurde die neue Halle mit Werkzeugbau, Vorrichtungsbau und Garage im Kellergeschoß in Betrieb genommen, 1962 dann ein neues Heizkraftwerk. Im Jahr 1965 wird das Porzellanwerk Neuhaus zum KWN (Keramisches Werk Neuhaus), später durch Eingliederung zum EKS BT 2 (Elektrokeramische Werke Sonneberg Betriebsteil zwei) und Anfang der siebziger Jahre Teil des Kombinates Keramische Werke Hermsdorf. 1985 wurde die 450 Millionste Zündkerze hergestellt. Nach der Wiedervereinigung 1990 erfolgte die Zerschlagung der Kombinate, das Werk Neuhaus wurde ein Teil der Tridelta AG. Ab 1991 wurden einzelne Fertigungsteile verkauft, so die Zündkerzenfertigung an Beru Ludwigsburg, die auch nachfolgend eine neue Halle errichtete, aber 2001 die komplette Zündkerzenfertigung nach Frankreich verlagerte. Ab 1993 begann dann der umfassende Abriss der ehemaligen Werksanlagen, der bis 1997 andauerte. Neben dem Brennhaus der Porzellanfabrik Neuhaus wurden noch weitere Gebäude und Gebäudeteile ganz oder teilweise abgerissen. Gleichzeitig wurde ein neues Industriegebiet an der B89 am Eschenbach erschlossen. Bei Tiefbauarbeiten an der B 89 wurden auch Stollen für die Frischluftzufuhr der Hochöfen des ehemaligen Meyer‘schen Walzwerkes freigelegt. Das vormalige große Betriebsgelände des keramischen Werkes und das neue Gewerbegebiet Eschenbach sind mittlerweile fast komplett von neuen Firmen besiedelt. Insgesamt werden dort ca. 1100 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt.

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